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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 21.05.2003
Aktenzeichen: 1 Ws 301/03
Rechtsgebiete: StGB, StPO
Vorschriften:
StGB § 67 d II | |
StGB § 57 I | |
StPO § 463 III 3 | |
StPO § 454 II |
Mit einer bloßen Fehlerkontrolle durch den Sachverständigen wird Sinn und Zweck seiner Beauftragung verfehlt.
2. Die Beauftragung eines vom Verteidiger vorgeschlagenen Sachverständigen mit der Erstattung eines Prognosegutachtens nach § 454 Abs. 2 StPO ohne Überprüfung dessen besonderer Fachkunde und Eignung widerspricht dem Gebot der bestmöglichen Sachaufklärung.
1 Ws 301/03 8022 VRs 3884/00 StA Trier
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS
In der Maßregelvollzugssache
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern
hier: Überprüfung der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach §§ 67 e, 67 d Abs. 2 StGB
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe und die Richter am Oberlandesgericht Völpel und Summa am 21. Mai 2003 beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten wird der Beschluss der großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz vom 21. Februar 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten der sofortigen Beschwerde, an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Die vom Untergebrachten in zulässigerweise angefochtene Entscheidung der Strafvollstreckungskammer, die weitere Vollstreckung der durch Urteil des Jugendschöffengerichts vom 22. Oktober 1992 angeordneten und seit dem 16. November 1992 vollzogenen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht zur Bewährung auszusetzen, beruht auf einer unzureichenden Grundlage.
Das in Vorbereitung der Überprüfungsentscheidung gemäß §§ 67 d Abs. 2 StGB, 463 Abs. 3 S. 3, 454 Abs. 2 StPO eingeholte Sachverständigengutachten zur Frage einer fortbestehenden Gefährlichkeit des Untergebrachten außerhalb des Maßregelvollzugs genügt den zu stellenden inhaltlichen Anforderungen nicht. Ihm fehlt im Ergebnis eine eigenständige Diagnose des gegenwärtigen gesundheitlichen Zustandes des Untergebrachten sowie eine eigene Prognose zur Frage seines künftigen Sozialverhaltens. Der von der Strafvollstreckungskammer - im Hinblick auf die Dauer der bisherigen Unterbringung richtigerweise - beauftragte externe Sachverständige hat seine Aufgabe lediglich darin gesehen, die diagnostische und prognostische Einschätzung der behandelnden Ärzte und Psychotherapeuten zu den entscheidenden Fragen auf Fehler zu untersuchen. Trotz abweichender Beurteilung einzelner Begutachtungskriterien ist er zu dem Ergebnis gelangt, dass solche für ihn nicht zu erkennen seien. Im Übrigen hat er sich auf den Standpunkt zurückgezogen, dass die aus dem täglichen Umgang mit dem Untergebrachten gewonnenen Einschätzungen des Behandlungsteams seiner aus externer Sicht durchgeführten Begutachtung überlegen und deshalb aussagekräftiger seien.
Damit ist nicht auszuschließen, dass der medizinische Sachverständige ohne die Vorgaben aus den von der Klinik erstellten Gutachten zu einer anderen Diagnose und Prognose gelangt wäre. Eine Gutachtendivergenz setzt nicht notwendigerweise die Fehlerhaftigkeit der einen oder anderen Sachverständigenmeinung voraus, sondern kann auch in unterschiedlichen wissenschaftlichen Ansätzen, voneinander abweichenden Untersuchungsmethoden oder einer anderen Gewichtung und Bewertung von Beurteilungskriterien begründet liegen. Es gerade die Aufgabe eines externen Sachverständigen, in einem selbständigen Erkenntnis- und Wertungsprozess aus neutraler, vom täglichen Umfang mit dem Untergebrachten unbeeinflusster Sicht zu eigenen Ergebnissen zu gelangen, damit auf diese Weise ein möglicherweise festgefahrenes Meinungsbild der Therapeuten korrigiert und eine Beeinträchtigung des Ergebnisses durch eine aus der engen Beziehung zwischen Patient und Therapeuten entstandene Befangenheit ausgeschlossen werden kann (vgl. KG NStZ 1999, 319, 320; Rotthaus NStZ 1998, 597, 600).
Mit einer bloßen Fehlerkontrolle durch den Sachverständigen wird Sinn und Zweck seiner Beauftragung verfehlt.
II.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Auswahl des zu beauftragenden Sachverständigen nicht, wie vorliegend geschehen, vom Verteidiger getroffen wird, sondern gemäß § 73 Abs. 1 S. 1 StPO dem zuständigen Gericht obliegt. Ausschlaggebender Maßstab für die Auswahl ist das Fachgebiet, auf dem die Begutachtung stattfinden soll sowie die Eignung des Sachverständigen (Meyer-Goßner, StPO 46. Auflage, § 73 Rdn. 4). Danach wäre vorliegend die Wahl eines auf dem Gebiet der Sexualdelinquenz, insbesondere der Pädophilie versierten Sachverständigen mit forensischer Erfahrung geboten gewesen. Ob der beauftragte Sachverständige diese Voraussetzungen erfüllt, hat die Kammer offenbar nicht geprüft, sondern ist dem Vorschlag des Verteidigers ohne weiteres gefolgt.
Ein solches Vorgehen entspricht nicht dem mit zunehmender Dauer der Unterbringung verstärkt in den Vordergrund tretenden Gebot der bestmöglichen Sachaufklärung und belastet das Verfahren mit unnötigen Verzögerungs- und Kostenrisiken.
III.
Da mit der zu wiederholenden Begutachtung des Untergebrachten auch eine erneute mündliche Anhörung nach § 454 Abs. 2 S. 3 StPO erforderlich wird, ist die Sache zu neuer Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen. In der Beschwerdeinstanz findet ein Anhörungsverfahren regelmäßig nicht statt (vgl. dazu ausführlich KG a.a.O., m.w.N.).
Ende der Entscheidung
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